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HRK-Positionspapier (1)

Finanzielle Ausgangssituation


Das Hochschulsystem in der Bundesrepublik Deutschland wird überwiegend aus den öffentlichen Haushalten finanziert. Private Drittmittel für die Förderung der Forschung und des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie die anteilige Finanzierung privater Hochschulen durch private Träger stellen Ausnahmen dar.

Aufgrund ihrer Kulturhoheit sind die Länder Träger der Hochschulen und leisten daher den größten Beitrag zur Finanzierung des Hochschulbereichs. Sie wendeten im Jahre 1992 netto ca. 23,7 Milliarden DM für die Grundfinanzierung der Hochschulen auf. Seitens des Bundes waren es 2,5 Milliarden DM. Außerdem wendeten Bund und Länder ca. 2 Milliarden DM für die Ausbildungs- und Doktorandenförderung und 2,5 Milliarden DM für die gemeinsame Förderung der Forschung und des wissenschaftlichen Nachwuchses auf. Von privater Seite flossen ca. 450 Millionen DM in den Hochschulbereich. Insgesamt wurden für den gesamten Hochschulbereich also etwa 31 Milliarden DM verausgabt.

Der Hochschulbereich in der Bundesrepublik Deutschland ist seit Mitte der 60er Jahre stark expandiert. Schrieben sich im Jahre 1965 85.700 Studienanfänger in den alten Bundesländern ein, so waren es im Jahre 1994 238.000. Die expandierende Hochschulentwicklung in Westdeutschland war bis zur Mitte der 70er Jahre von einem parallelen Anstieg der Stellen- und Mittelausstattung begleitet, seit Mitte der 70er Jahre fallen diese Entwicklungen auseinander. Einem Anstieg der Studienanfängerzahlen im Jahre 1994 gegenüber 1975 um 40%, zwischenzeitlich sogar 70%, stehen ein Anstieg der Zahl der Studienplätze nach Flächenrichtwerten von 1975 bis zum Jahre 1993 um 22% und der Stellen für wissenschaftliches Personal um 9 % sowie eine Abnahme des Anteils der Hochschulausgaben am Bruttosozialprodukt um ein Drittel gegenüber (Abb. 2).

Der sog. "Öffnungsbeschluß" für die Hochschulen, der im November 1977 von Bund, Ländern und Hochschulen gemeinsam getroffen wurde, beruhte auf der Erwartung, daß der Anstieg der Studienanfänger- und Studierendenzahlen lediglich eine demographisch bedingte Übergangserscheinung ("Studentenberg") (Abb. 3) bis 1990 sei, so daß eine dauerhafte Vorsorge in Form eines entsprechenden Aufwuchses an Studienplätzen und Stellen nicht erforderlich sei. Diese Einschätzung prägte bis 1992/93 die hochschulpolitischen Entscheidungen mit nachteiligen Folgen für den Hochschulbereich.

Entsprechend dieser Einschätzung war bereits 1975 die Ausbauzielzahl auf 850.000 flächenbezogene Studienplätze festgesetzt worden. Damit einher ging die Stagnation der Ausstattung mit wissenschaftlichem Personal, wenn man den Bereich der Hochschulkliniken ausklammert. Die von den Hochschulen für einen Übergangszeitraum in Kauf genommene Überlast entwickelte sich zur Dauerlast.

Hochschulbau

Knapp 1,9 Millionen Studierenden, davon 1,5 Millionen in der Regelstudienzeit, stehen derzeit im gesamten Bundesgebiet 970.000 Studienplätze gegenüber. Die wiederholte Kürzung der Mittel für Großgeräte in der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau hat zu einer Veraltung der Geräteausstattung der Hochschulen geführt, die deren Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich und mit der Industrie in Frage stellt. Die Unterbrechung des Computer-Investitions-Programms (CIP) und des Wissenschaftler-Arbeitsplatz-Rechner-Programms (WAP) beeinträchtigen eine zeitgemäße EDV-Ausbildung der Studierenden und den Anschluß der Hochschulen an internationale Datenübertragungsnetze.

Der Fehlbestand an räumlichen Kapazitäten und wissenschaftlichen Geräten wird durch die aktuelle Politik des Bundes noch verstärkt. Für die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau standen z.B. im Jahr 1994 auf Bundesseite 1,68 Milliarden DM zur Verfügung. Dieser Betrag lag um 620 Millionen DM unter dem von der HRK und vom Wissenschaftsrat für erforderlich gehaltenen Ansatz von 2,3 Milliarden DM und um 320 Millionen DM unter dem von den Ministerpräsidenten der Länder trotz der schwierigen Finanzlage der Länder als unerläßlich bezeichneten Ansatz von 2 Milliarden DM.

Um die Zustimmung der Länder zu den Rahmenplänen zu erreichen, wurden wiederholt pauschale Kürzungen bei den Ansätzen der Empfehlungen des Wissenschaftsrats vorgenommen. Außerdem erklärte sich der Bund bereit, in einem erheblichen Umfang Unbedenklichkeitserklärungen zu erteilen, damit die Länder über die bereits im Umfang von knapp einer Milliarde DM geleistete Vorfinanzierung hinaus wichtige Maßnahmen durch Vorfinanzierung des Bundesanteils beginnen können.

Durch das Aufschieben der Mitfinanzierung ist angesichts des in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes vorgesehenen unveränderten Mittelansatzes davon auszugehen, daß im Jahre 1996 keine neuen Vorhaben in der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau mehr begonnen werden können. Damit ist auch der mit hoher politischer Priorität versehene Ausbau der Fachhochschulen in weite Ferne gerückt.

Personelle und sächliche Ausstattunq

Die Relation: "Studierende je Stelle für wissenschaftliches Personal" hat sich in den alten Ländern von 1975 bis 1993 an den Universitäten und gleichgestellten Hochschulen (ohne Medizin) von 13 auf 24, an den Fachhochschulen von 16 auf 41 verschlechtert.

Derzeit zeichnet sich eine weitere erhebliche Verschärfung der ohnehin angespannten finanziellen Lage ab. Dies ergibt sich aus einer Umfrage, die die Hochschulrektorenkonferenz bei ihren Mitgliedshochschulen durchgeführt hat. Zwar spiegelt die Entwicklung der Haushaltszahlen nach wie vor einen leichten, zumindest nominalen Zuwachs von ca 2%, vor, doch wird dieser durch Preissteigerungen und dramatische Restriktionen, die sich aus dem Haushaltsvollzug ergeben, konterkariert. Vorhandene Stellen werden mit Stellenbesetzungssperren von bis zu 2 Jahren versehen, neu eingerichtete Stellen mit einer vorläufigen Besetzungssperre belegt. Stelleneinsparungen von bis zu 10% des Stellenbestandes müssen durch Stellenvakanzen vorfinanziert werden. Zudem summieren sich in einigen Ländern die Minderausgaben auf bis zu 20 % der laufenden Mittel für Forschung und Lehre.

Dabei zeigt der Ländervergleich, daß ein deutliches Süd-Nord-Gefälle zu verzeichnen ist. Drastische Rückschnitte sind vor allen Dingen im Lande Berlin, in Hamburg, Hessen und in Niedersachsen zu verzeichnen, doch auch in den anderen Ländern ist in den kommenden Jahren eine vergleichbare Entwicklung vorgezeichnet.

Wenn das Hochschulsonderprogramm I, in dem derzeit allein 2.000 Stellen für wissenschaftliches Personal und 1.200 Stellen für nicht-wissenschaftliches Personal finanziert werden, zum Ende des Jahres 1995 ersatzlos beendet werden sollte, drohen in den alten Bundesländern weitere Stellenkürzungen. Ein Wegfall der HSP I-Stellen wird zu einem Abbau von ca. 17.000 Studienanfängerplätzen führen.

Drittmittelsituation

Die Hochschulen haben in der Forschung durch Einwerbung von Drittmitteln die Folgen der Unterfinanzierung bisher zwar mildern, nicht aber kompensieren können. Die Hochschulen der alten Länder haben ihr Drittmittelvolumen im Zeitraum 1970 bis 1990 nominal von 630,6 Mill. DM auf 2.964,4 Millionen DM mehr als vervierfacht[1]. Die Defizite in der Grundausstattung der Hochschulen einerseits, aber auch die Finanzausstattung der aus öffentlichen Haushalten finanzierten Drittmittelgeber sowie die wirtschaftliche Lage der privaten Drittmittelgeber selbst machen es jedoch schwierig, die Drittmitteleinwerbung künftig auf der bisherigen Höhe zu halten oder sie weiter zu steigern. Ein limitierender Faktor für die Einwerbung von Mitteln für die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses und für die Verbesserung der apparativen Ausstattung besteht auch darin, daß die Kooperation von Hochschulen und Wirtschaft über gemeinsame Entwicklungs-Institute oder Auftragsforschung vom wirtschaftlichen Umfeld der Hochschule abhängt und von Ort zu Ort unterschiedlich entwickelt ist.

Finanzausstattung der Hochschulen im internationalen Vergleich

Die Grundausstattung der bundesdeutschen Hochschulen ist für die Forschung in personeller, räumlicher und apparativer Hinsicht nicht mehr ausreichend. Es fehlen Räume und Geräte, Werkstätten reichen nicht aus, Kommunikationsnetze sind nicht hinreichend leistungsfähig. Bibliotheken können die neu erschienene Literatur für Forschung und Lehre mangels finanzieller Mittel nicht im gebotenen Umfang erwerben. Die Lage wird dadurch verschärft, daß z.T. erhebliche Mittel fehlen, die für die Erfüllung neuer gesetzlicher Aufgaben und anderer rechtlicher Auflagen, z.B. in verschiedenen Sicherheitsbereichen (GefahrstoffVO etc.), notwendig sind. Der erhebliche Bedarf an Reinvestitionsmitteln, der infolge der überalterten räumlichen und sächlichen Ausstattung besteht, wird bei weitem nicht gedeckt.[2]

Die Vernachlässigung des tertiären Ausbildungssektors in der Bundesrepublik Deutschland wird auch in international vergleichenden Statistiken sichtbar. Im Ausland hat - wie die Beispiele Australien, Israel oder Schweden zeigen - die vom Staat gewünschte Bildungsexpansion oftmals zu einem zumindest proportionalem Aufwuchs an Mitteln geführt hat. Bei einem Vergleich der Anteile der Ausgaben für den Hochschulbereich am Bruttoinlandsprodukt liegt die Bundesrepublik Deutschland unter 21 betrachteten Staaten auf dem viertletzten Platz, bei einem Vergleich der Anteile der Bildungsausgaben an den gesamten Staatsausgaben sogar auf dem letzten Platz. Während in den OECD-Ländern durchschnittlich 9326 Dollar je Studierenden und Jahr verausgabt werden, sind es in der Bundesrepublik lediglich 6322 Dollar.


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bay, 15.1.2001, URL www.michael-bayer.de