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Stärkung der Hochschulleitungen


Neben der Evaluation, machte die Kultusministerkonferenz deutlich, sind "vermehrte Anstrengungen zur Verbesserung der Steuerungsmechanismen und Leitungsstrukturen" Voraussetzung für die sogenannte leistungsbezogene Mittelvergabe, oder allgemeiner gesprochen, für die indirekte Steuerung der Hochschulen. Und so veröffentlichte die KMK ein gutes halbes Jahr nach ihrem Beschluß zur Differenzierung der Mittelverteilung ihren Bericht zu den Leistungsstrukturen im Hochschulbereich. Vorbereitet hatte auch dieses Papier eine Arbeitsgruppe, in der neben VertreterInnen der Hochschulrektorenkonferenz und der Hochschul-Informations-System (HIS) GmbH das CHE mitwirkte.

"Die Entscheidungs- und Leitungsstrukturen", erklärt die KMK dort, "müssen so ausgestaltet sein, daß die Hochschule in der Lage ist, in eigener Verantwortung strategische Planung mit Zielsetzung sowohl in der Lehre als auch in der Forschung und bei den Dienstleistungen vorzunehmen, diese in eine programmatische Planung mit mittel- und kurzfristiger Perspektive umzusetzen und über die zur Verwirklichung der Zielsetzungen notwendigen Ressourcen zu entscheiden." Dazu sollen die Kompetenzen der gruppenbezogen zusammengesetzten Gremien beschränkt werden auf Zieldefinitions- und Kontrollfunktionen; die Exekutive sollen neben operativen Aufgaben nun auch Initiativfunktionen wahrnehmen.

Die Vorschläge der KMK sind deshalb bedeutend, weil sie sich ausdrücklich auf Positionspapiere anderer HandlungsträgerInnen beziehen. (Die KMK nennt die "Zehn Thesen" des Wissenschaftsrats, das Eckwertepapier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die Bildungspolitische Erklärung der MinisterpräsidentInnen, das Papier "Bildungs- und forschungspolitische Schwerpunkte vom 8.2.1995 des Bundesministers für Bildung, Forschung und Technologie und den Jahresbericht 1994 des Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz. Das Plenum der HRK hat seine ähnlichen Empfehlungen zur "Organisations- und Leitungsstrukturen der Hochschulen" im November 1997 beschlossen.) Die KMK-Vorschläge können somit als zusammengefaßter Konsens gesehen werden.

Zudem verzichtet das neue Hochschulrahmengesetz auf Vorschriften über die innere und äußere Organisation und Verwaltung der Hochschulen, so daß Länderregelungen mehr Gewicht bekommen. (Aus diesem Grund handelte sich die HRG-Novelle die Wut des Deutschen Hochschulverbandes ein: Die Aufhebung der Regelungen zur Hochschulstruktur (§§ 38 bis 40 alt und Neuformulierung von § 37) sei "das Kernübel der Novelle". Damit werde das Rad der Zeit auf den Stand vor 1985 zurückgedreht. "Der Rückzug des Bundes [...] wird zur Folge haben, daß in allen 16 Bundesländern der vergessen geglaubte Streit um Mitbestimmungsregeln und Organisationsdebatten aller Art die hochschulpolitische Diskussion der nächsten Jahre bestimmen wird" (DHV, 1997b, S. 1). Die Tendenz, die Exekutive auf Kosten der gruppengesteuerten Gremien zu stärken, ist in den Ländern unverkennbar. Nach dem neuen Hessischen Hochschulgesetz beispielsweise entscheidet nun der Präsident über Personal- und Sachmittel. Zumindest theoretisch hatte vorher darüber der Ständige Ausschuß des Konvents für Haushaltsfragen und Hochschulentwicklung zu befinden. (Praktisch folgte mancherorts der Ausschuß vertrauensvoll den Vorschlägen der Universitätsverwaltung.) An den Fachbereichen entscheidet analog die Dekanin oder der Dekan statt wie bislang der Fachbereichsrat über die Verwendung der Personal- und Sachmittel.

Der Grund, der hinter dieser Kompetenzverlagerung steht, läßt sich auf den einfachen Nenner bringen: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Wenn die verstärkte Umverteilung von Geld und Personal, gefördert mit der leistungsbezogenen Mittelvergabe und dem dafür nötigen Globalhaushalt, der Weg ist, auf dem die Hochschulen staatlichen Finanzkürzungen entgegentreten sollen, bedeutet das, Hochschulen müssen zugunsten anderer Hochschulen zurückstecken, Fachbereiche für andere Fachbereiche auf Mittel verzichten, Projekte für andere Projekte sparen. Mit den gruppengesteuerten Selbstverwaltungsgremien ist genau das nur schwierig zu machen: "Denn mit einer weitsichtigen Struktur- und Entwicklungsplanung, die ohne interne Umwidmungen von Ressourcen nicht zu denken und zu realisieren ist, sind die bestehenden Gremien klar überfordert", erklärt die Hessische Hochschulstrukturkommission. Der Wissenschaftsrat sieht darin die fehlende "Autonomiefähigkeit der 'Dienstleistungsinstitution Hochschule'".

Zur Forderung nach einer stärkeren Exekutive trägt auch die – berechtigte – Kritik an Entscheidungsstrukturen der Gruppenhochschulen bei. So berichtet Hans-Dieter Daniel, der ein Evaluationsprojekt an der Universität Mannheim leitete, bei der Beseitigung der erkannten Schwachstellen hake es in allen Projekten: "Die meisten Veränderungen der Studienstruktur und des Lehrangebots können nur umgesetzt werden, wenn alle Professoren des Fachs zustimmen" (Bei Evaluationen kommen...). Nur eine abweichende Meinung verhindert Veränderungen. Zwei Auswege sind denkbar: Entweder die Hochschulen werden demokratischer, die ProfessorInnen also weniger einflußreich; entsprechende verfassungskonforme Modelle liegen vor. Oder den manchmal handlungsunfähigen Gremien werden ihre Kompetenzen zugunsten einer starken Hochschulführung entzogen. Ein schlichter Satz von Detlef Müller-Böling, dem Leiter des CHE, zeigt, in welche der beiden Richtungen es geht: "Die Gruppenuniversität ist als Konzept gescheitert."

Nicht immer wird die Umverteilung als Motiv für die Rücknahme demokratischer Elemente genannt. Verbreitet ist der schlichte Hinweis, die Zahl der Mitglieder einer Hochschule entspreche der großer Unternehmen. Deshalb sei eine managementartige Führung nötig. Nachdem es in den siebziger Jahren nicht gelungen war, die für Hochschulen erreichte Mitbestimmung auf Betriebe zu übertragen (das 1976 verabschiedete Mitbestimmungsgesetz für die gesamte Großindustrie beließ den Anteil der Lohnabhängigen im Aufsichtsrat deutlich unterhalb der Parität), werden nun die Hochschulen von den Regeln der Wirtschaft eingeholt. Gleichzeitig scheint sich die Befürchtung aus den fünfziger Jahren zu bewahrheiten, mit dem Hinübergleiten der Hochschulen in reine Berufsausbildungseinrichten könnte auch ihr Status als Selbstverwaltungseinrichtung gefährdet sein (OEHLER).


Lesetips

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Michael Bayer, 27. Mai 2001