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Kultusministerkonferenz: Differenzierung der Mittelverteilung

Quelle: Kultusministerkonferenz, 1996: Differenzierung der Mittelverteilung im Hochschulbereich. Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 26.1.1996.

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Zusammenfassung (C – H)

1. Situationsbeschreibung (C)

Nach der Länderumfrage, die zur Erstellung dieses Berichts durchgeführt wurde, werden nur in Niedersachsen (Haushalt '93), Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen im Verhältnis zwischen Staat und Hochschulen Haushaltsmittel nach studentenbezogenen, lehrbezogenen und/oder forschungsbezogenen Parametern verteilt. Die einzelnen Maßnahmen beziehen sich ausschließlich auf die Mittel für Lehre und Forschung, Mittel zur Bewirtschaftung der Personalstellen werden davon nicht berührt. Der Anteil der so verteilten Mittel am Gesamtvolumen betrug 5,8 % in Rheinland-Pfalz, 5,2 % in Sachsen, 2,8 % in Nordrhein-Westfalen und weniger als 1 % in Niedersachsen. In Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen ist geplant, den Umfang der Umverteilungsmasse deutlich zu steigern. Eine Besonderheit besteht in Niedersachsen hinsichtlich der dort 1995 begonnenen Modellvorhaben zur Globalisierung der Zuschüsse an die Hochschulen und deren Umwandlung in Landesbetriebe. Niedersachsen hat Planungen in Zusammenarbeit mit dem CHE in Auftrag gegeben, die sich auf eine aufgaben- und leistungsbezogene Bemessung der globalen Zuwendungen an die Hochschulen richten; Vorrang hat dabei der Fachhochschulbereich.

2. Erfahrungen aus dem europäischen Ausland (D)

Auf Initiative der Arbeitsgruppe hat die HIS-GmbH Recherchen über formelgebundene Finanzzuweisungen des Staates an die Hochschulen in den Niederlanden, Dänemark, Schweden und England angestellt. In diesen Ländern sind die Hochschulen zu echten Selbstverwaltungskörperschaften mit eigenem Haushalt und eigenem Personal umgewandelt worden, die globale staatliche Mittelzuweisungen erhalten. Es gibt relativ grobe Bemessungsverfahren, wobei in erster Linie das Lehrbudget formelgebunden, orientiert an studentenbezogenen Parametern, festgesetzt wird. Die Zuweisungen für den Forschungshaushalt stehen teilweise in einer vorgegebenen Relation zu den Lehrbudgets (Niederlande), überwiegend werden sie jedoch nach strukturellen, teilweise auch leistungsorientierten Parametern vergeben. Die angewandten Verfahren sind das Ergebnis langjähriger Entwicklung. Nach Beurteilung von HIS ist in erster Linie das in den Niederlanden angewandte Verfahren auf die Situation in Deutschland übertragbar; dabei ist allerdings zu beachten, daß für die Bemessung der Forschungsmittel auch in den Niederlanden noch kein schlüssiges, in jeder Hinsicht üherzeugendes Verfahren gefunden worden ist. Ferner ist zu berücksichtigen, daß es sich um aufeinander abgestimmte Maßnahmen der Hochschulfinanzierung, der Studienfinanzierung und Studiengebühren sowie der Evaluation von Lehre und Forschung handelt, die allerdings nicht alle gleichzeitig entwickelt wurden.

3. Art und Umfang der Mittel, die sich für eine Differenzierung eignen (E)

3.1 Bei Hochschulen mit globalen Haushaltszuweisungen ist zwischen Bemessungsverfahren für Lehr- und Forschungsbudgets zu unterscheiden. Für eine formelgebundene Zuweisung eignen sich vor allem die Lehrbudgets. Aber auch bei der Bemessung der Forschungsbudgets müssen geeignete Verfahren gefunden werden, zumindest bei der Bemessung der Grundausstattung (z.B. in Form einer festen Relation zum Lehrbudget).

3.2 Im kameralistischen System ist zunächst festzustellen, daß 67 % bis 76 % der Gesamtmittel der Hochschulen stellengebunden sind. Die Stellen wiederum werden weitgehend nach kapazitären Parametern festgesetzt und eignen sich insoweit nicht für eine gesonderte Mittelzuweisung im Verhältnis Staat/Hochschulen.

Abgesehen von dem Verwaltungshaushalt konzentrieren sich die verbleibenden Mittel auf die in einer Titelgruppe zusammenzufassenden Mittel für Forschung und Lehre, die möglichst alle Mittel der Hauptgruppe 4 außer Stellenbewirtschaftungsmittel, sowohl der Hauptgruppen 5 und 8 einschließlich der in diesen Bereichen eingesetzten EDV-Mittel und der Mittel für Bibliotheken umfassen sollten. Ein solches Teilbudget könnte zwischen 10 % bis 20 % der in den Hochschulkapiteln veranschlagten Mittel umfassen.

4. Indikatoren für eine Differenzierung der Mittelverteilung (F)

Die in Betracht gezogenen Indikatoren sind nach den Bereichen

geordnet und nach ihrer Brauchbarkeit für eine aufgaben- und leistungsbezogene Verteilung im Verhältnis zwischen Staat und Hochschulen bewertet worden. Generell ist zu empfehlen, daß der Staat sich bei seiner Mittelverteilung auf ein relativ grobes, nur wenige Indikatoren anwendendes Verfahren beschränkt. Es wird vorausgesetzt, daß bei einer Mittelverteilung innerhalb der Hochschulen differenziertere Verfahren angewendet werden.

Im Ergebnis wurden folgende Indikatoren als geeignet bewertet:

Lehre

Forschung (auch wissenschaftlicher Nachwuchs)

Für die Grundausstattung in der Forschung im Rahmen der laufenden Zuwendungen des Staates gibt es keine verbindlichen Kriterien. Die Anwendung von aufgaben- und leistungsbezogenen Indikatoren ist sehr schwierig und umstritten. Ein umfassendes formelgebundenes Verfahren, wie es beim Lehrbudget für vertretbar gehalten wird, kann -jedenfalls zur Zeit – nicht vorgeschlagen werden. Folgende Indikatoren können jedoch als Anhaltspunkte verwendet werden:

5. Sonstige strukturelle Kriterien der Mittelverteilung (G)

Gegen eine geschlossene, formelgebundene Mittelzuweisung sind insbesondere folgende strukturelle Kriterien abzuwägen:

Soweit die Aussteuerung solcher Ziele auf Landesebene für erforderlich gehalten wird, sollte dies über Zentralkapitel erfolgen, wobei darauf zu achten ist, daß dadurch keine übermäßigen Abhängigkeiten der Hochschulen erzeugt werden.

6. Szenarien einer Reform der Mittelverteilung (H)

Die mögliche Reichweite einer Reform der Mittelverteilung soll durch zwei Szenarien dargestellt werden. Beide Szenarien gehen davon aus, daß die staatlichen Vorgaben bei der Mittelverteilung sich mehr an den Aufgaben und Leistungen orientieren und sich nicht in erster Linie durch Eingabedaten und Vorweg-Regelungen ausdrücken lassen. Die bisherige ex ante-Steuerung soll weitgehend durch eine ex post-Steuerung abgelöst werden, d.h. eine detaillierte Prozeßsteuerung des Staates wird bis zu dem Maße aufgegeben, als zwischen Staat und Hochschulen Vereinbarungen und Festsetzungen über Aufgaben und Ziele getroffen werden. Es ist dann Aufgabe der Hochschulen, sich für einen optimalen Weg zur Erreichung dieser Ziele zu entscheiden. Unabhängig von der Notwendigkeit, die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen zu verbessern (wie im Eckwertepapier betont), werden sich die Hochschulen darauf einrichten müssen, neuen Aufgaben und wechselnden Nachfragen im Rahmen verläßlicher Absprachen zwischen Staat und Hochschulen innerhalb vorgegebener Ressourcen zu begegnen. Schließlich sollte auch die Verbesserung der Erträge ins Auge gefaßt werden, wobei der Staat Anreize in der Form setzen sollte, daß den Hochschulen Mehreinnahmen ungeschmälert belassen bleiben.

Szenario A: Beibehaltung des staatlichen Charakters des Haushalts- und Personalwesens, Reformen der Kameralistik, Bemessung von Teilbudgets im Verhältnis Staat/Hochschule nach aufgaben- und leistungsbezogenen Parametern.

Entsprechend den ersten sechs der "11 Thesen zur Stärkung der Finanzautonomie der Hochschulen" vom 14./15.04.1994 (Anlage 2) werden die staatlich gesetzten kameralistisch geführten Hochschulhaushalte mit einem Höchstmaß an Flexibilität ausgestattet werden. Die Hochschulen dürfen weitgehend eigenverantwortlich über die interne Verteilung der ihnen zugewiesenen Mittel entscheiden. Die Bemühungen um eine aufgaben- und leistungsbezogene Bemessung der Mittel sollten sich auf die möglichst in einer Titelgruppe zusammengefaßten Mittel für Forschung und Lehre mit Ansätzen aus den Hauptgruppen 4 (ohne die Stellenbewirtschaftungsmittel), 5 und 8 einschließlich der in diesen Bereichen eingesetzten EDV-Mittel und der Mittel für Bibliotheken konzentrieren.

Ein solches Teilbudget könnte zwischen 10 % und 15 % der in den Universitätskapiteln veranschlagten Mittel umfassen. Der Anteil könnte sich bis zu 5 %-Punkte erhöhen, wenn die bisher nicht in den Titelgruppen, sondern in Einzeltiteln enthaltenden Mittel hinzugerechnet werden. Ein weiterer Teil betrifft das Unterbudget für die Forschung und sollte nach forschungsbezogenen Parametern bemessen werden. Gleichzeitig sollte das Stellenbewirtschaftungsprinzip in dem Sinne gelockert werden, daß zumindest bei den Angestelltenstellen unterjährige Veränderungen ohne Rückkoppelung zu Ministerium und Parlament ermöglicht werden, wobei Bindungen an finanzielle Obergrenzen ausgesprochen werden müssen. Szenario A ermöglicht es den Ländern und Hochschulen, in angemessenen zeitlichen Schritten sich an die Parameter und die daraus ergebenden Folgen anzupassen und darauf entsprechend zu reagieren.

Szenario B: Änderung des Hochschulfinanzierungssystems im Sinne eines Paradigmenwechsels hin zu einer globalen, aufgaben- und leistungsbezogenen Mittelzuweisung im Verhältnis Staat/Hochschulen unter Betonung von output-Faktoren und Veränderung des Hochschulstatus im Sinne echter Selbstverwaltungskörperschaften mit eigenem Haushalt und eigenem Personal -

Die Entwicklung in der Mehrzahl der westlichen europäischen Nachbarstaaten, aber auch außereuropäische Entwicklungen in Ländern, die ein ganz überwiegend staatlich organisiertes und finanziertes Hochschulsystem aufweisen, machen deutlich, daß ein über Szenario A hinausgehender Entwicklungsschritt mit einer vollen Umstellung des Hochschulfinanzierungssystems auch in Deutschland ernsthaft in Erwägung zu ziehen ist. Die vom Wissenschaftsrat erarbeiteten Vorschläge zielen in diese Richtung. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die in den anderen europäischen Ländern angewandten Verfahren teilweise das Ergebnis langjähriger Entwicklungen sind und im Kontext eines anderen strukturierten Hochschul- und Studienfinanzierungssystems stehen.

Hochschulen dieser Art werden mit globalen Zuschüssen des Staates ausgestattet. Dessen Bemühungen um eine sachgemäße Bemessung konzentrieren sich dann nicht mehr auf Teilbudgets, sondern auf die Bemessung der Zuschüsse insgesamt. Während das Lehrbudget insgesamt nach formelgebundenen, mit groben Indikatoren versehenen Verfahren bemessen werden könnten, haben die europäischen Erfahrungen gezeigt, daß eine formelgebundene Bemessung der Forschungsbudgets nicht möglich ist. Es könnte daher folgende Dreistufung vorgenommen werden:

Die Länder, die Modellvorhaben zur Globalisierung der Zuwendungen an Hochschulen durchführen, sind bestrebt, Verfahren zur Bemessung dieser Zuwendungen zu entwikkeIn, wobei den Fachhochschulen wegen deren geringerer Problematik im Forschungsbereich ein zeitlicher Vorrang eingeräumt werden sollte. Die hierbei erzielten Ergebnisse und die gewonnenen Erfahrungen sollten abgewartet werden. Dabei sollte auch dargelegt werden, welche Änderungen die Umwandlung von Hochschulen in echte Selbstverwaltungskörperschaften mit Globalhaushalt im Bereich des Haushaltsrechts, des Dienstrechts und des Zulassungsrechts erforderlich machen.

Für beide Szenarien gilt, daß für ihre Umsetzung vermehrte Anstrengungen zur


bay, 15.3.1999, URL www.michael-bayer.de