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Stellungnahme des Senats der Eberhard-Karls-Universität zur Finanzierung der Universität


  1. Die Universität ist - wie auch von der Staatssekretärskommission für den Bildungsgipfel 1993 für das Universitätssystem insgesamt festgestellt - erheblich unterfinanziert. Die Universität verfügt heute trotz eines erheblichen Zuwachses von Studierenden innerhalb der Regelstudienzeit nur über den Stellenbestand von 1977. Die Sach- und Investitionsmittel wurden, gemessen an den wachsenden Aufgaben, insbesondere am Aufwand für die in allen Fächern notwendige EDV-Ausstattung und veränderte Sicherheitsanforderungen real nicht annähernd angemessen erhöht. Die zusätzliche mit dem Monrepos-Programm bewilligte Ausstattung deckt nur ein Viertel des festgestellten Fehlbedarfs an Stellen ab, die zusätzlichen Sach- und Investitionsmittel wurden inzwischen durch die globale Minderausgabe aufgezehrt.

    Die in Überlastfächern eingesetzten 77 Stellen und 1,8 Mio. DM aus Mitteln des Hochschulsonderprogramms I, aus denen die Fächer Betriebswirtschaftslehre und Informatik aufgebaut worden sind, sind ab 1996 nicht mehr gesichert.

  2. Die Universität konnte ihre Aufgaben nur noch durch eine erhebliche Steigerung der Drittmittel erfüllen. Da Drittmittel zum weit überwiegenden Teil aus öffentlichen Haushalten kommen, ist angesichts der allgemeinen Situation ein nachhaltiges Wachstum nicht zu erwarten.

  3. Die trotz der anerkennenswerten Leistungen des Landes weiterbestehende jahrelange Unterfinanzierung der Universität bedroht die Ausbildungsqualität und damit die Zukunft der in der Ausbildung stehenden Generation, sie gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der Forschung, einen wesentlichen Faktor der Entwicklung unseres Landes.

  4. Die Universität hat bereits früh mit dem Modellversuch Hochschulkostenrechnung eigene Schritte zu einer erhöhten Kostentransparenz unternommen, ferner Ansätze leistungsorientierter Mittelverteilung entwickelt; sie wird dies mit wissenschaftsadäquaten Vorschlägen fortsetzen. Dazu bedarf es aber auch weiterer Schritte der Delegation und der Flexibilisierung des Haushaltes durch das Land, die geeignet sind, bei bedarfsgerechter Finanzausstattung den effizienten Einsatz der Mittel zu gewährleisten.

  5. Gebühren, die die Studierenden oder deren Eltern während des Studiums zusätzlich belasten, sind trotz der allgemeinen Unterfinanzierung und daraus entstandener unzulänglicher Studienbedingungen nicht vertretbar.

    Es gibt derzeit keine gesicherten Modelle, die faktische finanzielle Zugangshindernisse für sozial schwächere Studierende ausschließen. Die jüngst publizierten Ergebnisse der Sozialerhebung unterstreichen vielmehr, daß sich schon jetzt die Finanzierung des allgemeinen Lebensunterhalts negativ auf den Hochschulzugang wirtschaftlich schwächerer Studierender auswirkt. Die Studiengebühren zugeschriebene Steuerungsfunktion greift ohne eine die Schwachstellen des Hochschulsystems insgesamt erfassende Reform nicht.

  6. Forschung und Bildung sind öffentliche Güter und stehen daher in der primären Finanzierungsverantwortung des Staates. Das Beispiel amerikanischer Privatuniversitäten kann wegen völlig anderer Traditionen und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen als Begründung für die Einführung von Studiengebühren nicht herangezogen werden. Die Stagnation der öffentlichen Ausgaben für die Hochschulen hat dazu geführt, daß Deutschland im Vergleich mit den anderen entwickelten Industrieländern einen deutlich unter dem Durchschnitt liegenden Anteil des Bruttoinlandsprodukts für die Hochschulen aufwendet. Dieses Faktum spricht dafür, die erforderliche Finanzreform der Universitäten über eine Umverteilung von Steuermitteln zu realisieren. Erst auf dieser Grundlage kann die Frage, inwieweit zusätzliche Steuern oder Gebühren für die Studienfinanzierung herangezogen werden sollen und welche Modelle dafür gegebenenfalls in Frage kommen, entschieden werden.


Quellennachweis: Tübinger Universitätszeitung, Nr. 65/95, und Frankfurter Rundschau, Nr. 267 v. 16.11.1995, Seite 6.
bay, 15.3.1999, URL www.michael-bayer.de