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TU Clausthal: Beschluß des Senats


Der Senat der Technischen Universität Clausthal hat auf seiner Sitzung am 7.11.95 auf einen studentischen Antrag, der gemeinsam mit dem AStA vorbereitet wurde, folgende Erklärung einstimmig ohne Enthaltung beschlossen:

"Die Erhebung von Studiengebühren wird unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen vom Senat der Technischen Universität Clausthal abgelehnt. Sie wäre ein Schritt zum Rückzug der Gesellschaft aus ihrer Verantwortung für die Hochschulen."

Die Begründung: Die zentralen Probleme der Hochschulen in Deutschland sind Überfüllung und Unterfinanzierung. Die Ursachen dafür sind, daß in den letzten 20 Jahren zwar immer mehr Studierende an die Hochschulen gekommen sind und auch zukünftig kommen werden, die bereitgestellten Finanzmittel aber auf dem Niveau von Anfang der 80er Jahre stagnieren. Studiengebühren üben Druck auf die Studierenden aus, die eher als Opfer der Hochschulmisere zum sehen sind denn als Verursacher. Auch mit Studiengebühren werden die Hochschulen nicht genügend Geld zur Verfügung haben.

Studiengebühren bürden den Studierenden finanzielle Lasten auf, so daß die Gefahr besteht, daß die Studierenden verstärkt persönliche Neigungen vernachlässigen und sich marktnahen Schwankungen unterwerfen. Wenn sie während des Studiums einen Schuldenberg aufbauen, bekommt das Studium einseitig eine starke Ausrichtung auf die Vorbereitung zum Geldverdienen.

Schon heute kommt nur ein sehr geringer Teil der Studierenden aus den sogenannten bildungsfernen Schichten und aus finanzschwachen Familien (14. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks aus dem Jahr 1994). Mit dem Anspruch der Chancengleichheit sind Studiengebühren nicht zu vereinbaren. Egal wie man sie ausgestaltet, stellen Studiengebühren einen Umverteilungsmechanismus dar.

Mit der Einführung von Studiengebühren wird der gesellschaftliche Konsens aufgegeben, daß die Wahrung eines hohen Standards akademischer Ausbildung eine gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe ist. Studiengebühren individualisieren Kosten von Bildung, Marktmechanismen sollen für sogenannte Effektivität sorgen, wobei es bezeichnenderweise in erster Linie nicht um qualitative Merkmale der Ausbildung geht, sondern um Kenngrößen wie beispielsweise durchschnittliche Studiendauer.

Angesichts der komplizierten Situation sind weitere Folgen von Studiengebühren höchst unsicher. So könnte die Studiendauer wegen verstärktem Nebenerwerb ansteigen, mögliche Studierende aus sozial schwachen Elternhäusern könnten abgeschreckt werden und durch verstärkten Wettbewerb um Studierende bzw. deren Gebühren könnte das Ausbildungsniveau allgemein sinken. Zudem könnte ein Gebührenanteil die Stetigkeit bei der Finanzierung einer jeden Hochschule gefährden, da konjunkturelle, regionale und temporäre Einflüsse eine Kalkulierbarkeit ausschließen.

Am 13. November 1995 wird sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) vermutlich auf Initiative von bayrischen und baden-württembergischen Rektoren und Präsidenten mit dem Thema Studiengebühren befassen. Vorab ist ein von einer Arbeitsgruppe der HRK erarbeitetes Diskussionspapier an die Öffentlichkeit gelangt, in dem verschiedene Modelle von Studiengebühren abgewogen werden. In einer Stellungnahme der Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg und der Bayrischen Rektorenkonferenz (Süd-LRK) wird die Einführung von Studiengebühren schon planerisch ausgestaltet, etwa die Höhe von 1000,- DM je Semester, Verwendung der Mittel, sozial begründete Ausnahmeregelungen, zusätzliche Leistungskontrollen bei den aus sozialen Gründen Befreiten, Verwaltungsaufwand u.a.m..

Gegen diese Pläne hat es von unterschiedlicher Seite Widerspruch gegeben:

Die Ansicht, daß durch Studiengebühren zusätzlich Mittel für die Hochschulen aufgebracht werden könnten, hält einer näheren Betrachtung nicht stand: Berücksichtigt man die notwendigen Freistellungen von Gebühren aus sozialen Gründen, den zusätzlichen Verwaltungsaufwand und die durch zusätzliche Steuerfreibeträge entstehenden Mindereinnahmen des Staates, wären z.B. die von der Süd-LRK angeregten Studiengebühren annähernd aufkommensneutral, so hat die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin ausgerechnet. Möchte man den Hochschulen die dringend notwendigen Mittel zur Verfügung stellen, so gibt es dazu in jeder Hinsicht geeignetere Möglichkeiten.


Verlauf der Diskussion im Senat:

Eigentlich hatten wir einen weitergehenden Antrag gestellt, in dem die Hintertür "unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen" nicht enthalten war und in dem der Rektor verpflichtet worden wäre, jede Art von Gebühren abzulehnen.

Auch so war es noch schwierig genug, die heimlichen Befürworter von Studiengebühren still zu halten, ein Professor wollte etwa die "Rahmenbedingungen" schlicht durch "derzeit" ersetzen. Morgen darf er dann...

Da die HRK in ihrer letzten Fassung des Diskussionspapiers zur Finanzierung der Hochschulen zu einer identischen Bewertung von Studiengebühren kommt, ist die Erklärung weder revolutionär noch besonders aufregend. Wir halten sie trotzdem für recht wichtig, weil sie den Rektor zwingt, diese Meinung auch an die Öffentlichkeit sowie an die HRK weiterzugeben. Das ist jedenfalls mehr, als er sont getan hätte.


Manfred Puckhaber, AStA TU Clausthal
bay, 15.3.1999, URL www.michael-bayer.de