Abschiebung und Selbstbestimmungsrecht von KurdInnen oder Waffenlieferungen an die Türkei sind Themen, zu denen AStA und Fachschaften künftig den Mund halten sollen. Die Uni-Rechtsabteilung hat als Aufsichtsbehörde Stellungnahmen dazu kurzerhand verboten. Anlaß war ein Aufruf zu einer (friedlich verlaufenen) bundesweiten Demonstration für eine politische und demokratische Lösung der Kurdistan- Frage. Der AStA und die drei Fachschaften hatten ihn unterstützt.
Die Uni-Verwaltung beruft sich auf die ständige Rechtsprechung, nach der die Studi-Vertretungen zwar "über politische Themenstellungen und Probleme" informieren dürften - "nicht davon umfaßt werden aber eigene Stellungnahmen der Studentenschaften zu politischen Fragen". Diese rechtsdogmatische Konstruktion wurde in den 70er Jahren erfunden, um den linken ASten den Mund zu verbieten. Wegen des Streits um das "Politische Mandat" wurden schon einige Prozesse gegen sie geführt; horrendes Stafgeld wurde fällig. In Marburg gab's zuletzt Ärger, als das AStA-Info zu einer Demonstration gegen Wohnungsnot und zur Teilnahme am Protest gegen den Weltwirtschaftsgipfel in der bayerischen Landeshauptstadt München aufgerufen hatte.
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In Ausübung meiner Pflicht als Rechtsaufsichtsbehörde treffe ich
folgende Rechtsaufsichtsverfügung:
Der AStA geht davon aus, daß die Belange der Studierenden nicht von denen der Gesamtgesellschaft zu trennen sind. Hochschulen befinden sich nicht im luftleeren Raum; sie werden von der Gesellschaft beeinflußt und haben Wirkungen nach außen. Zudem ist einE StudentIn nicht nur als Hochschulmitglied Teil dieser Gesellschaft.
Studierende müssen in der Lage sein, ihr Tun und dessen Folgen in einem größeren Zusammenhang zu sehen und zu beurteilen. Die Trennung von hochschulpolitischen und allgemeinpolitischem Mandat nimmt dem AStA die Möglichkeit, Studierenden ihre gesellschaftspolitische Verantwortung deutlich zu machen.
Zu der Studierendenschaft, die der AStA vertreten soll, gehören auch besondere Gruppen mit spezifischen Eigeninteressen. Der AStA Marburg geht davon aus, daß er sich auch für diese gesellschaftlich Unterdrückten einsetzen und auch ihre Interessen vertreten muß. Die dabei angesprochenen Themen können nicht alle Studierenden der Hochschule betreffen, aber hier kommt dem AStA die Aufgabe zu, über besondere Probleme zu informieren und Akzeptanz zu schaffen.