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RCDS: Hochschulpolitisches Programm (Auszug)

Quelle: Ring christlich demokratischer Studenten, 1998: Visionen für eine Hochschule von morgen. Hochschulpolitisches Programm des RCDS, o.O.

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I. Für eine differenzierte Hochschullandschaft

Der RCDS tritt für den Erhalt der differenzierten Ausbildungsstrukturen der verschiedenen Hochschultypen ein. Dabei sollen die Hochschulen unterschiedliche Schwerpunkte bei der Gewichtung von Forschung und Lehre setzen können.

Der Föderalismus spielt in der Hochschullandschaft der Bundesrepublik eine fundamentale Rolle. Dies ist sinnvoll, da hieraus ein Wettbewerb um möglichst gute Studienmöglichkeiten und ein möglichst differenziertes Hochschulsystem erwächst. Die

Studienabschlüsse müssen jedoch vergleichbar sein, um Ungerechtigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu minimieren.

Das Hochschulrahmengesetz (HRG) gewährleistet die gegenseitige Anerkennung von Studienleistungen und damit die Möglichkeit des Hochschulwechsels innerhalb Deutschlands. Der RCDS fordert, das European Credit Transfer System (ECTS) auch auf nationaler Ebene anzuwenden, um diesen Wechsel unbürokratischer zu gestalten.

Wir treten für einen Wettbewerb zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen ein. Ein differenziertes Spektrum von Universitäten, Gesamthochschulen, Fachhochschulen, Berufsakademien und anderen Hochschulformen gibt den Studenten die Möglichkeit, die Angebote an Hochschulstudien zu vergleichen und eigene Schwerpunkte zu setzen.

1. Stärkung von Fachhochschulen und Berufsakademien

Der RCDS tritt für die Stärkung von Fachhochschulen und Berufsakademien ein. Eine stärkere Gewichtung der Lehre und der praktischen Ausbildung, kurze Studienzeiten und eine starke Einbindung von Dozenten aus der Praxis haben sich in diesen Hochschultypen als erfolgreich erwiesen. Daher sind nachhaltige Anstrengungen zu unternehmen, um in diesen Bereichen die Anzahl der Studienplätze auszubauen. Mehr Ausbildungsgänge als bisher sind auch an Fachhochschulen anzubieten, um die Differenzierung im Hochschulbereich zu stärken.

Die Unternehmen werden aufgefordert, ihrer Verantwortung beim Ausbau der Kapazitäten der Berufsakademien gerecht zu werden und verstärkt Ausbildungsplätze in diesem Bereich zu schaffen.

Die Promotionsordnungen der Universitäten müssen Vorschriften enthalten, wonach entsprechend befähigten Fachhochschulabsolventen der Zugang zur Promotion ermöglicht wird. Zur Promotionsbefähigung, insbesondere um die wissenschaftlichen Kenntnisse auszubauen, müssen Aufbaustudiengänge von maximal drei Semestern angeboten werden.

Die europaweite Anerkennung der Fachhochschulabschlüsse stellt vielerorts immer noch ein Problem dar. Grundsätzlich sollte daher eine international verständliche Bezeichnung bzw. Übersetzung dieser Hochschulform angestrebt werden. Wie an den Universitäten sind daneben Mobilitätsprogramme an den Fachhochschulen weiterauszubauen.

2. Abschlüsse

Eine differenzierte Hochschullandschaft führt auch zu einem differenzierten Gefüge von Studienabschlüssen. Die Hochschulen sind insbesondere aufgerufen, die Möglichkeit, international anerkannte Abschlüsse wie Bachelor oder Master zu verleihen, zu nutzen.

Wichtig ist, daß auch ein differenziertes Abschlußgefüge für die Studenten und ihre zukünftigen Arbeitgeber überschaubar bleibt. Den Hochschulen kommt hier bei der Gestaltung der Studienordnungen die Verantwortung zu, die neuen angelsächsischen und die gängigen deutschen Studienabschlüsse sinnvoll miteinander in Beziehung zu setzen.

3. Massenhochschulen

Der Öffnungsbeschluß aus dem Jahre 1977 hat in Westdeutschland zu einem rapiden Anstieg der Studentenzahlen geführt. Auch in den neuen Bundesländern steigen die Studentenzahlen und der Anteil der Studentinnen und Studenten an den AItersjahrgängen. Inzwischen studieren 1,9 Millionen Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten an den deutschen Hochschulen – mit weiter steigender Tendenz. Die Studentenzahl hat an vielen Hochschulen die Einwohnerzahl von klein- oder Mittelstädten längst erreicht.

Die Entwicklung hin zu Massenhochschulen hat große Probleme mit sich gebracht. Ein Studium an einer Massenhochschule bringt für den einzelnen Studenten ein hohes Maß an Anonymität und Orientierungslosigkeit. Der RCDS setzt sich deshalb für eine langfristige Umkehrung dieses negativen Trends ein: Statt Massenhochschulen wünschen wir kleinere Universitäten mit deutlich schärferem Profil.

Je mehr Studenten sich engagieren und Verantwortung übernehmen, desto größer ist die Identifikation der Studenten mit ihrer Hochschule. Erst diese Identifikation kann eine Hochschule mit Leben füllen – unabhängig von ihrer Größe.

II. Reform der Hochschulstrukturen

1. Hochschulautonomie

Eine zentralistische Verwaltungsstruktur wird der Lage an den deutschen Hochschulen nicht gerecht. Der RCDS fordert daher eine Reform der Hochschulverfassungen nach den Prinzipien der Überschaubarkeit und Subsidiarität. Entscheidungskompetenz und Verantwortung müssen so nah wie möglich am Geschehen angesiedelt sein. Eigeninitiative der Hochschulmitglieder ist in allen Bereichen zu fördern.

Die Hochschulen bzw. Fachbereiche müssen das Recht haben, eigenständig und ohne staatlichen Einfluß z.B. über ihre Satzung, die Einrichtung, Veränderung und Aufhebung von Studiengängen, die Verwendung staatlicher Gelder und Drittmittel oder die Gestaltung von Forschung und Lehre zu entscheiden.

Der RCDS fordert, Hochschuleinrichtungen wie Hochschulbibliotheken, Institute und sonstige Organisationseinheiten, die bislang als unselbständige zentrale Einrichtungen betrieben wurden und keinem Fachbereich zugeordnet sind, in teilrechtsfähige Einrichtungen umzuwandeln. Dies verkürzt die Entscheidungswege und stärkt ihre Eigenverantwortung.

2. Globalhaushalte

Wir treten dafür ein, den Hochschulen und Fachbereichen möglichst weitgehende Kompetenzen bei der Mittelverteilung zu geben. Ziel dieser Bestrebungen ist der Globalhaushalt, bei dem die Mittelzuweisungen nicht bis ins Detail festgelegt werden und die Gelder inhaltlich und zeitlich übertragbar sind.

Die Mittelzumessung für die Fachbereiche soll dabei Grundlage auch für die Mittelverteilung an die Leitung und die zentralen Einrichtungen sein. Die Mittelzuweisung soll sich aus einem existenzsichernden Sockelbetrag sowie einem leistungsabhängigen Teil zusammensetzen. Dabei sind die Leistungen der Hochschule in Lehre, Forschung und bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zugrunde zu legen. Bei der Ausgestaltung dieser leistungsbezogenen Finanzierung ist auf eine überschaubare Zahl sachgerechter und transparenter Kriterien zu achten. In jedem Fall sollen die Ergebnisse von Lehrevaluationen in die Finanzierung einbezogen werden.

3. Evaluation und Controlling

Der RCDS spricht sich entschieden für die permante Bewertung von Leistungen der Hochschulen aus. Diese soll intern und extern stattfinden und den Hochschulen als Entscheidungshilfen bei der Verwendung ihrer Mittel dienen. Kriterien zur Bewertung können sein: Die Anzahl der Studenten in der Regelstudienzeit und abgelegte Prüfungen, die Kosten pro erfolgreichem Abschluß pro Regelstudienjahr, Ergebnisse aus Beurteilungen durch Peer-Groups, Ergebnisse studentische Veranstaltungskritiken, Ergebnisse von Absolventenbefragungen, die Abbrecher- und Fachwechslerquote, die Höhe der Drittmittelförderung sowie die Beschäftigtenquote der Absolventen in ausbildungsadäquaten Beschäftigungsfeldern.

Bei der externen Evaluation sind öffentliche Rankings grundsätzlich positiv zu bewerten. Es ist aber darauf zu achten, daß sie gewissenhaft durchgeführt werden und sowohl ihre Bewertungskriterien als auch ihre Repräsentativität offenlegen.

Bei einer internen Evaluation ist von den Fachbereichen ein Lehr- sowie ein Forschungsbericht zu erstellen. Auch zentrale Einrichtungen sollen Tätigkeitsberichte erstellen. Von entscheidender Bedeutung für eine größere Wirtschaftlichkeit ist die Durchschaubarkeit der Finanzflüsse in der Hochschule. Die Finanzplanung ist künftig auf der Grundlage der Evaluation und einer betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung zu betreiben. Dabei ist auf berechtigte Interessen schutzwürdiger Hochschulmitglieder (z.B. Studentinnen und Studenten mit Kind, Behinderte) Rücksicht zu nehmen.

Diese Evaluation muß Grundlage für eine Umstrukturierung von Handlungsabläufen zur Beseitigung der festgestellten Mängel sein.

4. Gruppenuniversität

Der RCDS bekennt sich zum Prinzip der Gruppenuniversität, nach dem die unterschiedlichen Gruppen in den Hochschulgremien vertreten sind und so an den Entscheidungsprozessen innerhalb der Hochschule mitwirken.

Der RCDS fordert in den Hochschul- und Fachbereichsgremien eine Drittelparität zwischen Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studenten für alle Entscheidungen, bei denen dies verfassungsrechtlich zulässig ist.

Nichtwissenschaftliche Mitarbeiter sollen nicht zu Gremien und Kommissionen hinzugezogen werden, die sich vorrangig mit Fragen der Lehre, der Forschung, der Ausgestaltung der Hochschulautonomie sowie mit der Berufung befassen. Ihre maßgebliche Vertretung ist der Personalrat.

5. Leitungsstrukturen (akademische Selbstverwaltung)

Die Hochschulstrukturen können nur dann effizient sein, wenn Entscheidungskompetenz und Verantwortung zusammenfallen und klar definiert sind. Der RCDS spricht sich daher für eine Verringerung der Zahl der Gremien sowie eine klare Abgrenzung der Kompetenzen von Hochschulleitung bzw. Dekan einerseits und Senat bzw. Fachbereichsrat andererseits aus.

Der RCDS spricht sich für eine Hochschulverfassung aus, bei der auch ein Außenstehender mit abgeschlossenem Hochschulstudium zum Präsidenten / Rektor gewählt werden kann.

In den Aufgabenbereich der Hochschul- bzw. Fachbereichsleitung fallen die operativen Entscheidungen auf der jeweiligen Ebene wie z.B. die Sicherstellung des Lehrangebots oder die Wahrnehmung der Rechtsaufsicht nach innen. Ihnen stehen dazu wirkunsvolle Weisungs- und Sanktionsrechte gegenüber den Professoren und Mitarbeitern der Hochschule zur Verfügung.

Aufgabe des Senats/ Fachbereichsrats ist zum einen die Wahl der Hochschul- bzw. Fachbereichsleitung. Zum anderen beschließen Senat und Fachbereichsrat über Satzungen, Mittelverteilung und grundsätzliche Strukturfragen auf der jeweiligen Ebene. Außerdem haben sie weitreichende Initiativ- und Kontrollrechte.

Kuratorien oder Hochschulräte mit Entscheidungsfunktionen gegenüber der Hochschule lehnt der RCDS als Beschneidung der Hochschulautonomie ab. Er begrüßt allerdings die Einrichtung derartiger Gremien, wenn sie den Hochschulen beratend zur Seite stehen, Anregungen zur Hochschulentwicklung geben und die Einbindung der Hochschule in die Gesellschaft und die Region fördern.

6. Studentische Selbstverwaltung

Die Studenten sind die zahlenmäßig stärkste Gruppe an der Hochschule. Ihre Zukunft hängt besonders stark von den Entscheidungen in Hochschule und Hochschulpolitik ab. Gleichzeitig stellt ihre kurze Verweildauer sie jedoch bei der Artikulation und Durchsetzung ihrer Anliegen vor große Probleme. Darum brauchen sie neben der Vertretung in den akademischen Gremien auch eine starke eigene Interessenvertretung sowohl auf Fachbereichs- als auch auf Hochschulebene.

Aufgabe der studentischen Selbstverwaltung ist insbesondere die Wahrnehmung der fachlichen, sozialen und hochschulpolitischen Belange der Studenten, die Organisation von Serviceangeboten und Sozialleistungen für Studenten, die Durchführung von Sport- und Kulturveranstaltungen oder die Pflege von Kontakten zu anderen Institutionen und Verbänden, die im studentischen Bereich tätig sind.

Die Ausgestaltung der studentischen Selbstverwaltung ist in den Bundesländern sehr unterschiedlich. Der RCDS bekennt sich zu dem Wettbewerb der Vertretungsmodelle, der sich daraus ergibt. Der RCDS ruft die Landesgesetzgeber auf, die Studentenvertretung in eigener Verantwortung demokratisch, transparent, studentennah und arbeitsfähig auszugestalten:

demokratisch:

Zu einer demokratischen Studentenvertretung gehören insbesondere freie und faire Wahlen, die Anwendung des Verhältniswahlrechts auch bei der Besetzung von Ausschüssen und anderen Gremien, Minderheitenschutz und Minderheitenbeteil gung.

transparent:

Zu einer transparenten Studentenvertretung gehört die Stärkung der studentischen Selbstkontrolle (z.B. Kassenprüfer, Haushaltsausschuß), der externen Kontrollmechanismen (z.B. Landesrechnungshofl und der Rechtsaufsicht (Hochschulleitung) ebenso wie die Sanktionierung zweckwidriger Verwendung studentischer Gelder.

studentennah:

Zu einer studentennahen Studentenvertretung gehört insbesondere eine Stärkung der Fachschaften, die die studentischen Belange in vielen Fragen besser bündeln und vertreten können als hochschulweite Gremien.

arbeitsfähig:

Zu einer arbeitsfähigen Studentenvertretung gehören eine angemessene materielle Ausstattung und Logistik sowie das hochschulpolitische Mandat, das es den Gremien der studentischen Selbstverwaltung ermöglicht, zu hochschulpolitischen Fragen auf Landes- und Bundesebene Stellung zu beziehen. Der RCDS spricht sich gegen das allgemeinpolitische Mandat aus.

III. Arbeitsplatz Hochschule

Die deutschen Hochschulen beschäftigen hunderttausende Menschen und sind in vielen Städten der größte Arbeitgeber. Dies bringt für die Hochschulen auch eine große soziale Verantwortung mit sich.

Die Hochschule ist kein öffentlicher Arbeitgeber wie jeder andere. Das Dienstrecht der Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeiter sowie die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses haben unmittelbaren Einfluß auf die Qualität von Forschung und Lehre.

1. Dienstrecht

Auf dem Gebiet des Dienstrechts fordert der RCDS umfassende Reformen. Bislang ist der Beamtenstatus der Regelfall für Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter. Dadurch soll gewährleistet werden, daß sich Forschung und Lehre frei von äußeren Zwängen entfalten können. Der Beamtenstatus hat sich aber andererseits in vielen Fällen auch als leistungs- und damit qualitätshemmend herausgestellt.

Erforderlich ist eine Flexibilisierung des Dienstrechts, um den Hochschulen eine sachgerechte Entscheidung im Einzelfall zu ermöglichen. Die Hochschule soll etwa bei einer Professorenberufung entscheiden können, ob der Bewerber ins Beamten-Verhältnis oder ein anderes Dienstverhältnis berufen wird. Zudem fordert der RCDS die Hochschulen auf, die Möglichkeit, Teilzeitprofessoren oder Professoren auf Zeit zu berufen, stärker als bisher zu nutzen, um mehr qualifizierte Dozenten aus der Praxis zu gewinnen. Als richtigen Schritt in diese Richtung begrüßt der RCDS auch die Streichung der Habilitation als Regelvoraussetzung der Professorenberufung aus dem Hochschulrahmengesetz (HRG).

Unabhängig von der Einzelfallentscheidung über das Dienstverhältnis muß auch das Beamtenrecht reformiert werden. Ziel muß eine stärkere finanzielle Honorierung von Leistung sein. Das Gehalt der Professoren sollte aus einem Grundbetrag und Leistungszulagen bestehen. Daneben müssen dem Dekan wirkungsvolle Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Professoren zustehen, die ihre Lehrdeputate nicht oder mangelhaft erfüllen, z.B. der Entzug von Forschungsfreisemestern. Die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten müssen konsequent genutzt werden.

2. Wissenschaftlicher Nachwuchs

In den nächsten Jahren wird ein großer Teil der heutigen Professoren emeritiert werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, daß engagierte und qualifizierte junge Wissenschaftler an ihre Stelle treten, damit das Niveau der deutschen Hochschulen unter dieser "Ementierungswelle" nicht leidet.

Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist daher eine der vordringlichen Aufgaben der Hochschulen. Es ist die Aufgabe der Lehrenden, das Interesse der Studentinnen und Studenten für eine wissenschaftliche Laufbahn zu wecken. Besonders junge Frauen müssen dabei ermutigt und gefördert werden, da es derzeit zu wenige Frauen unter den Professoren gibt. Eine Frauenquote bei der Einstellung von Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern lehnt der RCDS jedoch ab.

Angemessen dotierte Habilitationsstipendien und eine ausreichende Zahl an Assistenzplätzen müssen gewährleisten, daß junge Akademiker frühzeitig eigene Wege in der Wissenschaft einschlagen können.

IV. Hochschulzugang

1. Stärkung des Abiturs

Der RCDS hält am Abitur als allgemeiner Hochschulzugangsberechtigung ebenso wie am Prinzip des freien Hochschulzugangs fest.

Dies setzt jedoch voraus, daß das Abitur eine Aussage über die Studierfähigkeit des Studienbewerbers treffen kann. Das ist nicht mehr generell der Fall Der RCDS fordert daher eine Stärkung des Abiturs:

Die sog. 'Kernfächer' (Deutsch, Mathematik, Geschichte, eine Fremdsprache und eine Naturwissenschaft) müssen bundesweit bis zum Abitur belegt und dort stärker gewichtet werden.

In allen Bundesländern ist zur Vorbereitung auf das wissenschaftliche Arbeiten an der Hochschule eine Studien- bzw. Seminararbeit einzuführen, deren Ergebnis in die Abiturnote einfließt.

In allen Bundesländern soll ein landesweites Zentralabitur mit hohen Leistungsanforderungen eingeführt werden, um zumindest innerhalb des Landes vergleichbare Standards zu gewährleisten. Eine bundesweite Angleichung der Standards nach oben ist anzustreben.

Eine 12-jährige Schulzeit bis zum Abitur hat sich in mehreren Bundesländern bewährt. Sie ist daher bundesweit ohne eine Senkung der Anforderungen einzuführen.

Außerdem muß eine intensive und frühzeitige Studien- und Berufsberatung in Zusammenarbeit von Gymnasium, Arbeitsamt und Hochschule bereits während der gymnasialen Oberstufe sichergestellt werden.

Für beruflich besonders qualifizierte Menschen muß ein fachbezogenes Hochschulstudium nach einer Eingangsprüfung auch ohne Abitur möglich sein, wie dies in den meisten Bundesländern schon heute der Fall ist.

2. Zulassungsbeschränkungen und Auswahlrecht

Zulassungsbeschränkungen entbinden den Staat nicht von der Pflicht zu einer Finanzierung des Ausbaus der Zahl der Studienplätze. Der RCDS hält sie jedoch in den Studiengängen für gerechtfertigt, in denen die Zahl der Studienbewerber deutlich über der Zahl der zur Verfügung stehenden Studienplätze liegt, um eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu gewährleisten.

Für die Vergabe der Studienplätze in zulassungsbeschränkten Fächern strebt der RCDS ein gegenseitiges Auswahlrecht der Studenten und Hochschulen an. Ziel ist die Abschaffung der ZVS. Kurzfristig sollen die Hochschulen die Möglichkeit erhalten, in ZVS-Fächern 40 % der Studienplätze direkt zu vergeben, und zwar überwiegend nach der Abiturnote, einer fachbezogenen Gewichtung von Abiturnoten, Tests oder Auswahigesprächen. Die Bedeutung des Abiturs als allgemeiner Hechschulzugangsberechtigung bleibt hiervon unberührt, da weiterhin ein Teil der Studienplätze nach der Wartezeit vergeben wird. Die Bedeutung der Wartezeit ist jedoch zu reduzieren.

V. Aufbau und Reform des Studiums

Aufgrund des mangelhaften Ausbaus von Studienplätzen müssen sich – statistisch gesehen – zwei Studenten einen Studienplatz teilen. Der Umfang der inhaltlichen Anforderungen an Studieninhalte und Prüfungen nimmt dabei ständig zu.

Nicht zuletzt der Vergleich mit jüngeren Hochschulabsolventen aus den europäischen Nachbarländern erfordert die Senkung des Absolventenalters. Studienabschnitte sind so zu gestalten, daß keine unzumutbaren Wartezeiten entstehen. Die Studien- und Prüfungsordnungen müssen daher reformiert werden. Ein erster akademischer Abschluß sollte – wo möglich – spätestens nach dem 6. Semester möglich sein.

Der Schwerpunkt muß von ausgedehntem Detailwissen auf notwendiges Struktur-und Orienlierungswissen verlagert werden. Studienabläufe sind flexibler und didaktisch besser zu strukturieren. Die Lehrpläne der Dozenten der einzelnen Fachbereiche müssen besser aufeinander abgestimmt werden. Insbesondere ist ein stärkerer Praxisbezug notwendig.

Um dies zu erreichen, sollten unter Hinzuziehung von Experten aus der Praxis an den einzelnen Fachbereichen Kommissionen gebildet werden, die sich paritätisch aus Studenten, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Professoren zusammensetzen.

2. Reform der Prüfungsordnungen

Eine überschaubare Struktur und Organisation des Studiums ist Voraussetzung für die Planbarkeit des individuellen Studienverlaufs. Nur wer seine Studienziele vor Augen hat, kann zügig und effizient studieren.

Im Zuge der Straffung der Studien- und Prüfungsordnungen muß auch die übertriebene inhaltliche Ausdehnung von Studien-, Diplom- und Magisterarbeiten eingedämmt werden. Das Credit-Point-System ist als Regelfall der Prüfungsorganisation einzuführen.

Anreize, die einen zügigen Abschluß des Studiums honorieren, sind durchgängig zu schaffen. In allen geeigneten Studienfächern sind Freischußregelungen einzuführen.

VI. Lehre

Akademische Lehre hat die Aufgabe, neben spezifischem Fachwissen auch wissenschaftliche Methodik und Oreientiertungswissen zu vermitteln. Leider umfaßt die akademische Lehre derzeit häufig nur die Darstellung, nicht aber die eingehende Vermittlung von Fachwissen.

1. Lehrevaluation

Das Hochschulrahmengesetz (HRG) schafft die Voraussetzungen für die bislang weitgehend fehlende Evaluation der Lehrleistung von Dozenten. Leider sind die Konsequenzen, die sich aus den Ergebnissen der Evaluation ergeben, im HRG nicht festgelegt. Leistungsanreize für eine qualitativ hochwertige Lehre werden also nur durch eine konsequente Umsetzung dieses Gesetzes auf Landes- und Hochschulebene geschaffen.

Dabei müssen Lehrevaluationen sowohl bei der Berufung von Professoren als auch bei der Mittelverteilung an die Hochschulen berücksichtigt werden. Darüber hinaus stellen Preise und Auszeichnungen für herausragende Lehrleistungen einen weiteren persönlichen Anreiz dar.

Insbesondere die Bewertung von Lehrleistungen durch die Zielgruppe der Lehre – die Studentinnen und Studenten – ist dabei von größter Bedeutung.

Kriterien einer studentischen Bewertung sollen sein:

"Freiheit der Lehre" darf nicht "Freiheit von Lehre" bedeuten. Das häufig mangelnde Engagement der Dozenten ist aber nicht das einzige Problem. Eine nachhaltige Verbesserung der Qualität der Lehre kann nur in Kombination mit einer Beseitigung der derzeitigen Mißstände bei der Ausstattung der Lehrbereiche und der Betreuungsqualität und -relation erreicht werden.

2. Ausstattung der Hochschulen

Die personelle und materielle Grundausstattung der Hochschulen muß sich an den tatsächlichen Studentenzahlen und fachspezifischen Bedürfnissen orientieren, damit die Effizienz und Breite der Vermittlung von Fachwissen nicht sinkt. Die Ausstattung der Lehrbereiche muß daher den Studien- und Prüfungsanforderungen des jeweiligen Fachbereiches angepaßt werden, damit alle Studenten innerhalb der Regelstudienzeit ihr Studium abschließen können.

Service- und lnfrastruktureinrichtungen wie Bibliotheken, Laboratorien, Mensen, Computerpools, Immatrikulations- und Studienbüros sind sowohl qualitativ als auch quantitativ bedarfsgerecht auf dem neuesten Stand der Wissenschaft und Technik einzurichten und auszustatten.

3. Betreuungsqualität und -relation

Der Anstieg der Studentenzahlen in den letzten Jahrzehnten hat zu einem eklatanten Mißverhältnis zwischen der Anzahl der Lernenden und Lehrenden geführt. Die Verschlechterung der Betreuungsrelation und der dadurch bedingte Rückgang der Betreuungsqualität hat nicht nur eine zunehmende Isolation des Einzelnen an der Hochschule zur Folge, sondern verhindert zudem den wissenschaftlichen Austausch zwischen Lehrenden und Studenten. Freiwerdende Dozentenstellen sind zügig wiederzubesetzen.

Die Betreuung der Studenten durch Dozenten und Tutoren ist von grundlegender Bedeutung für einen effektiven Studienverlauf. Das Tutoriensystem ist dafür intensiv auszubauen; auf die Einhaltung von Beratungen und Sprechstunden von Dozenten ist hinzuwirken. Studienberatungen sowie attraktive und informative Einführungsveranstaltungen können lnformationsdefizite zu Beginn und während des Studiums vermeiden.

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bay, 15.3.1999, URL www.michael-bayer.de