[ HoPo-WWW, Textarchiv ]

Wissenschaftsminister aus den Laendern fordern:

Mit dem "Abitur plus" zum Elite-Studium


Leipzig/Bonn (dpa/afp). Ein alter Traum bewegt die Bildungspolitik aufs Neue: Wie kommen die besten Studenten zu den besten Professoren, wie lassen sich aus der Masse der Studienanfänger die Richtigen für eine Art Elite-Studium herausfiltern? CDU- Wissenschaftsminister wie Hans Joachim Meyer (Sachsen) und Manfred Erhardt (Berlin) pagierten dazu auf einer Tagung der Bertelsmann-Stiftung. "CHE" das "Abitur plus" - mit verbindlichen Auswahlgesprächen, Test oder Eignungsprüfungen für alle.

Erst dann, wenn sich der Abiturient vergeblich an drei Hochschulen einem solchen Auswahlverfahren gestellt hat, soll er künftig seinen Studienplatz durch den Dortmunder ZVS-Computer zugeteilt bekommen. Denn mit der Bildungsexpansion, so die Klagen vieler Professoren, kommen nicht nur die Fähigsten zur Uni, sondern auch zu viele "nur" durchschnittlich oder weniger Begabte. Der Heidelberger Rektor Peter Ulmer sieht dabei seine Kollegen zunehmend einem neuen "Leidensdruck" ausgesetzt.

Anders als in vielen Nachbarländern entscheidet in Deutschland seit über 200 Jahren allein das Abitur mit seinem Status der "Allgemeinen Hochschulreife" über den Universitätszugang - von einigen künstlerischen Studiengängen abgesehen. Vermeintlich "schwere" Kurse werden oft zugunsten "leichterer" abgewählt, um fuer die Bewerbung einen besseren Noten-Schnitt zu bekommen.

Das neue Auswahlrecht, das den Hochschulen die Möglichkeit einräumen soll, nicht mehr jeden Bewerber auf Anhieb nehmen zu müssen, soll zu keiner "Reduktion" der Studentenzahlen führen - so versicherten es zumindest die Initiatoren des Leipziger Kongresses immer wieder. Meyer sieht gar in der hohen Zahl der Studierwilligen ein "gesellschaftliches Faktum", was zu respektieren sei. Doch der Grossteil der Professoren war offenbar anderer Hoffnung. Der Leipziger FH- Rektor Klaus Steinbock glaubt gar, "daß die Erbmasse des deutschen Volkes" mehr als 15 Prozent geeignete Studenten pro Jahrgang nicht hergibt.

Die Bonner Koalition hat sich unterdessen nach den Worten des FDP- Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt grundsätzlich darauf verständigt, die Haushaltsmittel für Forschung und Bildung im nächsten Jahr um mindestens 100 Millionen Mark aufzustocken. In der "Welt am Sonntag" sprach Gerhardt von einem dreistelligen Millionenbetrag, ohne jedoch Einzelheiten zu nennen. Die Verständigung wurde nach dem Bericht zwischen Gerhardt, Forschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) und Finanzminister Theo Waigel (CSU) erzielt. Das Bonner Finanzministerium erklärte dazu, eine abschliessende Entscheidung gebe es noch nicht.


aus: Kieler Nachrichten, 26. Juni 1995
bay, 15.3.1999, URL www.michael-bayer.de